Vom Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis zur amerikanischen Invasion in Panama 1989: Die Amerikanerin Martha Gellhorn begleitete als Kriegsreporterin die großen militärischen Konflikte des 20. Jahrhunderts. Inmitten von Grauen, Tod und Elend zwang sie sich hinzusehen und zu berichten – nicht von Heldentaten an der Front, sondern darüber, was Krieg im Leben der einfachen Leute anrichtete.
Sie blickte in ihrer Berichterstattung auf die Durchschnittsmenschen, um den kleinen Leuten eine Stimme zu geben – denjenigen, die Tag für Tag die Folgen von Konflikten, Krisen und Kriegen erleben und überleben mussten, die von den Mächtigen und Reichen ausgetragen wurden.
Dass sie dabei manchmal sehr intensiv die Seite der Unterdrückten wählte, brachte sie selbst mit einem Fluch zum Ausdruck: „That objectivity shit“. Wenn die Fronten in Gellhorns Augen klar waren, wenn klar war wer auf der richtigen und wer auf der falschen Seite stand, konnte die Reporterin die Objektivität, die Journalist*innen zum höchsten Maßstab ihrer Arbeit machen, beinahe als Bürde empfinden. In den besten Stunden ihrer Arbeit, darunter ihre Berichterstattung aus dem befreiten Konzentrationslager Dachau, verwandelte sie sich nach eigener Aussage „in ein Aufnahmegerät mit Augen und Ohren“. Sie schaute genau hin und hörte aufmerksam zu – um der Welt von diesem Horror berichten zu können.
Obwohl sie acht Konflikte als Journalistin coverte und auch fiktionale Werke schrieb, wird Martha Gellhorn immer wieder im ersten Atemzug als dritte Ehefrau von Ernest Hemingway vorgestellt. Sie selbst wehrte sich vehement dagegen – erstens weil die Ehe so turbulent endete, dass sie seinen Namen nie wieder in den Mund nehmen wollte. Wichtiger war jedoch: Sie hatte bereits zwei Romane geschrieben, darunter ihr erfolgreiches Werk über die Große Depression in den USA („The Trouble I’ve Seen“), als sie Hemingway traf. Und die Ehe der beiden scheiterte unter anderem deshalb, weil Martha Gellhorn sich so ihrem Job verschrieb. Hemingways Prioritäten für die Frauen in seinem Leben wird aus einer wütenden Frage an Gellhorn ersichtlich: „Bist du eine Kriegsreporterin oder bist du die Frau in meinem Bett?“
Aber Gellhorns Priorität war ihre Rolle als Reporterin. Als solche sparte sie auch ihre Heimat, die USA, nicht von Kritik aus. Ihre Artikel aus Vietnam halten den USA für deren grausame Kriegsführung mit Napalm den Spiegel vor: Gellhorn schreibt über das Leid der vielen Zivilist*innen, vor allem der Kinder, die mit Napalm getötet oder schwer verwundet werden.
Die Reporterin sah die Vereinigten Staaten bald als „Kolonialmacht“; nach 1950 lebt sie bis an ihr Lebensende außerhalb der USA. Martha Gellhorns Kriegskorrespondenz wurde 1959 in „The Face of War“ veröffentlicht. Ihre Reportagen aus Friedenszeiten sind in „The View From the Ground“ (1988 erschienen) versammelt.
Die Frau, die in ihrem Leben so viel Leid, Elend und Tod sah, wollte ihr eigenes Leben intensiv leben. Ihr größter Feind: Die Langeweile. Martha Gellhorn hatte keine Toleranz für langweilige Menschen. Noch im fortgeschrittenen Alter beschwerte sie sich während eines wenig aufregenden Interviews bei einer Journalistin: „Dieses Gespräch ist so langweilig, dass ich glaube, ich werde ohnmächtig“ – ich weiß nicht, ob ich neidisch oder froh sein soll, dass ich nie die Chance hatte, Gellhorn selbst zu interviewen. 🙂
Caroline Moorhead: Gellhorn. A Twentieth-Century Life.
Martha Gellhorn: The Trouble I’ve Seen
Martha Gellhorn: The Face of War
Martha Gellhorn: Travels With Myself and Another
Nachdruck einer Reportage von Martha Gellhorn zum Spanischen Bürgerkrieg: https://www.pbs.org/weta/reportingamericaatwar/reporters/gellhorn/madrid.html
Nachdruck von Martha Gellhorns D-Day Reportage:
https://www.theguardian.com/world/2004/may/28/secondworldwar.features116
Bericht aus dem Konzentrationslager Dachau:
http://www.oldmagazinearticles.com/war-correspondent-martha-gellhorn-at-DACHAU-death-camp-pdf
Martha Gellhorn spricht über Dachau:
https://www.youtube.com/watch?v=SZAnWnV8CvE&ab_channel=DushanStojadinovic
Martha Gellhorn spricht über ihre Arbeit:
https://www.youtube.com/watch?v=pjyLA2jC_Aw&ab_channel=MajorEsterhazy
PBW American Masters Serie, Interview mit Martha Gellhorn:
https://www.pbs.org/wnet/americanmasters/archive/interview/martha-gellhorn/
Lunchbox Lecture am National World War II Museum: “More Than Just Hemingway’s Wife: The Wartime Journalism of Martha Gellhorn”
https://www.youtube.com/watch?v=bs6emyVKIm0&ab_channel=TheNationalWWIIMuseum
PBS Special “Reporting America At War”
https://www.pbs.org/weta/reportingamericaatwar/reporters/gellhorn/
Berichterstattung über die blaue Plakette für Gellhorn an ihrem einstigen Londoner Haus:
https://www.newyorker.com/news/letter-from-the-uk/a-memorial-for-the-remarkable-martha-gellhorn
Am 13. März 2023 ist mein Buch „Nicht nur Heldinnen“ im Herder Verlag erschienen. Es versammelt 20 Porträts von Frauen, die wir bewundern können – und solchen, deren Handeln bei uns Widerspruch weckt oder zum Nachdenken bringt. Du kannst das Buch bei Buchhändler*innen deines Vertrauens bestellen oder direkt bei Herder:
Anfragen für eine Lesung könnt ihr über das Kontaktformular stellen.
HerStory stellt dir Wegbereiter*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik vor und erzählt Geschichten von Frauen und queeren Personen, die sich nicht um Geschlechter- oder Rollenbilder scherten.
Neue Episoden erscheinen alle zwei Wochen.
Du kannst HerStory ganz einfach abonnieren.
Um dir den Feed in einen Podcatcher deiner Wahl zu laden, klick hier:
HerStory ist werbe- und sponsorenfrei.
Damit verzichte ich bewusst auf Einnahmen, um unabhängig zu bleiben. Einen Podcast zu produzieren erfordert aber nicht nur viel Zeit für Recherche, Aufnahme und Schnitt. Ich investiere natürlich auch Geld in Literatur, Equipment und Software.
Wenn du laufende Kosten und meine Arbeit am Podcast unterstützen möchtest, kannst du das mit einem Abo auf Steady tun oder mit einer einmaligen Spende via PayPal. Vielen lieben Dank!