Als junge Frau überlebte Lotti Huber das KZ, im Rentenalter machte sie als Bühnenliebling und Filmstar Karriere.
„Bei mir sagen sie immer: ‘Wat macht die Olle noch auf der Bühne? Warum geht sie nicht mit ihrem Dackel spazieren und gießt Blumen auf dem Balkon?‘ Aber das ist einfach nicht meine Masche!“ Das sagte Lotti Huber 1995 mit 83 Jahren in der Late-Night-Show von Harald Schmidt. Da war die Frau mit den klimpernden Wimpern, den Wallekleidern und der scheinbar untrübbaren Lebensfreude seit knapp 20 Jahren ein Bühnenliebling und Darling der queeren Szene.
Ihr Leben war voller Wendungen: Lotti Huber war am 16. Oktober 1912 in Kiel geboren worden und hatte sich dort in den Sohn des Oberbürgermeisters verliebt. Doch sie war jüdische Deutsche und Hillert Lueken ein “Arier” – ihre Liebe galt den Nationalsozialisten als Rassenschande. Lueken wurde ermordet, Lotti Huber kam erst ins Konzentrationslager Moringen, später ins KZ Lichtenburg.
Sie überlebte, weil sie freigekauft wurde. Lotti Huber ging nach Haifa und lernte dort Tanz. Später führte sie auf Zypern mit ihrem ersten Mann ein Hotel und nach der Scheidung eine beliebte Bar, bevor sie mit ihrem zweiten Mann erst nach London ging und schließlich nach Berlin zurückkehrte.
Dort gab sie Tanzunterricht, übersetzte Kitsch-Romane und wurde mit über 60 Jahren erst Statistin beim Film, dann Hauptdarstellerin in Rosa von Praunheims halb-biografischen Filmen. Mit der entwaffnend direkten und gleichzeitig charmanten Art, mit der Lotti Huber in ihrem Bühnenprogramm und ihrer Autobiografie “Diese Zitrone hat noch viel Saft!” aus ihrem Leben plauderte, eroberte sie die Herzen des Publikums. Die Wahl-Berlinerin hatte zahlreiche queere Freund*innen und begegnete allen Menschen mit Neugier und Wohlwollen – außer Nazis und Antisemiten.
Vor 25 Jahren, am 31. Mai 1998, starb Lotti Huber. Ich habe über sie ein Kalenderblatt für die Hessische Landeszentrale für Politische Bildung geschrieben. Und bei Lotti lohnt es sich, die Informationen aus erster Hand zu bekommen – deshalb empfehle ich auch die Lektüre ihrer Autobiographie „Diese Zitrone hat noch viel Saft!“
Und wenn ihr einen weiteren Bühnenstar kennenlernen wollt, dann hört doch meine Doppelfolge über Stormé de Larverie und Marsha P. Johnson. Stormé trat als Drag King auf und im Alter eine bekannte und geliebte Türsteherin der lesbischen Gemeinde in New York.
Am 13. März 2023 ist mein Buch „Nicht nur Heldinnen“ im Herder Verlag erschienen. Es versammelt 20 Porträts von Frauen, die wir bewundern können – und solchen, deren Handeln bei uns Widerspruch weckt oder zum Nachdenken bringt. Du kannst das Buch bei Buchhändler*innen deines Vertrauens bestellen oder direkt bei Herder:
Anfragen für eine Lesung könnt ihr über das Kontaktformular stellen.
HerStory stellt dir Wegbereiter*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik vor und erzählt Geschichten von Frauen und queeren Personen, die sich nicht um Geschlechter- oder Rollenbilder scherten.
Neue Episoden erscheinen alle zwei Wochen.
Du kannst HerStory ganz einfach abonnieren.
Um dir den Feed in einen Podcatcher deiner Wahl zu laden, klick hier:
HerStory ist werbe- und sponsorenfrei.
Damit verzichte ich bewusst auf Einnahmen, um unabhängig zu bleiben. Einen Podcast zu produzieren erfordert aber nicht nur viel Zeit für Recherche, Aufnahme und Schnitt. Ich investiere natürlich auch Geld in Literatur, Equipment und Software.
Wenn du laufende Kosten und meine Arbeit am Podcast unterstützen möchtest, kannst du das mit einem Abo auf Steady tun oder mit einer einmaligen Spende via PayPal. Vielen lieben Dank!