Josephine Erkens kam mit gutem Leumund und viel Erfahrung 1926 nach Hamburg, um dort die Weibliche Kriminalpolizei aufzubauen. Ihr Vorgesetzter fühlte sich von ihrem Erfolg offenbar bedroht und nutzte einen Medienskandal, um sie aus dem Amt zu drängen.
Die Berufung nach Hamburg war ein Beweis, welch großes Vertrauen man in die Fähigkeiten von Josephine Erkens setzte: 1926 zog die Mittdreißigerin in die Hansestadt, um dort die Weibliche Kriminalpolizei aufzubauen. Es war eine der ersten Polizeieinheiten auf deutschem Boden, die beinahe ausschließlich mit Frauen besetzt und von einer Frau geleitet wurden (in Preußen wurde Friederike Wieking 1926 mit der gleichen Aufgabe betraut).
Erkens kam mit den besten Voraussetzungen an die Elbe. Am 20. Juli 1889 in Düsseldorf geboren, hatte sie erste Erfahrungen in der Arbeitswelt als Buchhalterin beim Stahlwerksverband in Düsseldorf gemacht, sich dann aber der sozialen Arbeit zugewandt. Nach einer Ausbildung an der Niederrheinischen Frauenakademie in Düsseldorf und einem anschließenden Praktikum hatte sie 1921 eine Stelle als Polizeifürsorgerin in Köln angetreten.
Fürsorgerinnen bei der Polizei kümmerten sich insbesondere um Sexarbeiterinnen. Seit der Jahrhundertwende kämpften Frauenrechtlerinnen wie Anna Pappritz für einen anderen Umgang mit Sexarbeiterinnen, deren Dienste im Wilhelminischen Kaiserreich polizeilich verfolgt wurden. Männer, die sexuelle Dienste in Anspruch nahmen, blieben dagegen unbehelligt.
Die Frauenrechtlerinnen forderten Entkriminalisierung und Prävention von Prostitution, und in der neu gegründeten Weimarer Republik nahmen Reformen Fahrt auf. Das britisch besetzte Köln richtete nach britischem Vorbild die erste weibliche Frauenwohlfahrtspolizei ein, die sich insbesondere um Sittendelikte kümmerte. Josephine Erkens wurde zu deren Leiterin berufen. Als das Projekt in Köln wegen mangelnder Finanzierung eingestampft wurde, wechselte Erkens nach Frankfurt.
1926 beschloss die sozialdemokratisch regierte Hansestadt, eine Weibliche Kriminalpolizei (WKP) aufzubauen. Sie verfolgte den Ansatz der „vorbeugenden Sozialpolitik“: Statt Sexarbeit zu bestrafen, wollten die Beamtinnen sie mithilfe von Aufklärungsarbeit, Versorgung mit Notunterkünften und weiteren Hilfsangeboten verhindern.
Die Hamburger WKP wurde außerdem bei Sexualdelikten gegen Frauen und Kinder, bei Kindsmord und Schwangerschaftsabbrüchen tätig und führte vollkommen selbständig die Ermittlungen. Das war neu: Bis dato hatten die Polizistinnen nur phasenweise bei Untersuchungen mitgewirkt oder unterstützt.
Die Arbeit der Abteilung in Hamburg schien den Polizeioberen zunächst so vielversprechend, dass Josephine Erkens von der Kriminalkommissarin erst zur Kriminaloberinspekteurin, dann zur Regierungsrätin befördert wurde und in ihrer Einheit bald auch männlichen Beamten Anweisungen gab.
Doch Erkens hatte bei der Hamburger Polizei nicht nur Freundinnen und Freunde. Wiederholt lag sie mit Friedrich Schlanbusch, dem Chef der Hamburger Kriminalpolizei, nicht auf einer Linie. Der bescheinigte ihr schließlich, für eine Führungsposition ungeeignet zu sein. Und dass Erkens engagiert für frauenrechtliche Belange eintrat, traf selbst in der eigenen Abteilung auf Kritik. Kriminalinspektorin Therese Dopfer und Kriminialobersekretärin Maria Fischer beschwerten sich 1929 gemeinsam mit vier weiteren Kolleginnen über Erkens‘ Führungsstil. Als die Polizistin ihren Chef Schlanbusch bat, ihr den Rücken zu stärken, ließ der sie im Stich.
Dopfer und Fischer hatten schon in Frankfurt mit Erkens zusammengearbeitet und waren ihr nach Hamburg gefolgt. Dopfer, eigentlich mit ihrer Kollegin Fischer liiert, entwickelte offenbar Gefühle für Erkens, die aber nicht erwidert wurden. Innerhalb der Abteilung kam es zu Spannungen, schließlich nahm die Situation ein tragisches Ende: Dopfer und Fischer begingen im Juli 1931 im Watt Suizid. Ihre zusammengebundenen Körper wurden vor der Nordseeinsel Pellworm angeschwemmt.
Die Zeitungen berichteten aufgeregt über Tod der beiden Polizistinnen. In den Schilderungen der Presse schien die Weibliche Kriminalpolizei bald wie ein Tümpel weiblicher Intrigen: Erkens, Dopfer und Fischer hätten sich offen bekämpft, die Atmosphäre in der Einheit sei völlig vergiftet gewesen. Erkens wurde so energisch von den Medien verurteilt, dass die Historikerin Ursula Nienhaus von einer „Zeitungsintrige“ spricht.
Erkens‘ Vorgesetzter Schlanbusch nutzte die Gelegenheit, um die ihm ungeliebte Kollegin loszuwerden. Während die Zeitungen über das lesbische Verhältnis von Dopfer und Fischer berichteten, Mutmaßungen über Erkens anstellten und wilde Gerüchte über die Todesumstände diskutierten, wurde bei der Kriminalpolizei ein Disziplinarverfahren gegen die Regierungsrätin eingeleitet.
Die Untersuchung kam zwar zu dem Schluss kam, dass Erkens keine Schuld am Tod der beiden Polizistinnen hatte, bescheinigte der resoluten Abteilungsleiterin allerdings „Selbstüberheblichkeit“ und „Unbelehrbarkeit“. Josephine Erkens wurde unehrenhaft aus dem Polizeidienst entlassen. Gestand man ihr anfangs noch eine Pension zu, wurde diese 1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ganz gestrichen. Die WKP wurde der männlichen Sittenpolizei unterstellt.
Erkens‘ jahrelange Arbeit für eine weibliche Reformpolizei wurde eingestampft. Stattdessen wurden weibliche Polizistinnen im Nationalsozialismus für die Bekämpfung der Jugendkriminalität eingesetzt und waren unter anderem auch für Jugend-Konzentrationslager zuständig.
Erkens kehrte nach ihrer Entlassung in ihre Geburtsstadt Düsseldorf zurück. Jahrelang kämpfte sie für eine Rehabilitierung und erreichte 1951 einen Vergleich mit der Stadt Hamburg. Sie verschwand aus der öffentlichen Wahrnehmung und starb 23 Jahre später im Alter von 84 Jahren.
Bild: Uniform für die geplante Einführung der weiblichen Polizei auf der Internationalen Polizeiausstellung in Berlin, 1926, Bundesarchiv, Bild 102-03205 / CC-BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en
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